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Ganz Deutschland leidet unter dem exponentiellen Anstieg der Covid-19 Infektionen und sucht nach Lösungen, um die Ansteckungsgefahren zu minimieren und zumindest auch einen halbwegs geregelten Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Nur aus Sicht aus der Landesregierung in Kiel stellt sich das Problem anscheinend nicht. Für Bildungsministerin Prien ist das alles eine nur „aufgeregte Diskussion“. Schleswig-Holstein habe das zweitniedrigste Infektionsgeschehen im Bund, sagt Prien. „Es gibt keine Veranlassung, unser Konzept grundsätzlich zu überdenken.“ (zitiert nach Hamburger Abendblatt vom 12.Nov.)
Hinter den Mauern des Landeshauses an der Förde mag das so geglaubt werden. Betrachtet man jedoch die Realität z.B. im Süden des Flächenlands Schleswig-Holstein, so erkennt man, dass die Aussage Schleswig-Holstein habe das zweitniedrigste Infektionsgeschehen aller Bundeländer sehr zu relativieren ist. In allen Südkreisen liegt der Zuwachs der Covid-19 Infektionen schon seit mehreren Wochen deutlich über dem vom RKI festgelegten Problemwert 50 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner:innen und Woche. Dort haben wir einen starken Anstieg der Covid-19 Erkrankungen auch an den Schulen. Die Nähe zum Corona-Hotspot Hamburg, wo die Infektionen im schulischen Umfeld bereits etwa ein Drittel aller Ansteckungen mit Covid-19 ausmachen, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Eigentlich war vorgesehen, dass bei einer deutlichen Verschärfung des Infektionsgeschehens auch an den Schulen des Landes erweiterte Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 umgesetzt werden sollten, doch dafür besteht aus Priens Sicht keine Notwendigkeit mehr. Bei uns im Land reicht eine Maskenpflicht, alles andere scheint „nicht sinnvoll“ oder zu teuer zu sein. Die Abstandspflicht in den Unterrichtsräumen ist ebenso aufgehoben, wie in vielen Schulen defacto auch die Vorgabe regelmäßig zu lüften, da diese oft gar nicht umsetzbar ist. An Luftreinigungsgeräte oder an Trennwände aus Plexiglas für Lehrer:innen und Schüler:innen ist nicht zu denken, zu teuer! Priens Zaubermittel, das „Kohortensystem“, das angeblich die Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten unter den Schüler:innen ermöglichen soll, scheitert nicht zuletzt an der Überlastung der Gesundheitsämter aufgrund hoher Infektionszahlen. „Kohorten“ von Klassen- bis Jahrgangsgröße mit mehr als hundert Schüler:innen und einem Mehrfachen an Bezugspersonen außerhalb der Schulen sind in dieser Infektionssituation eben nicht kontrollierbar. Die Ansteckungsgefahr auf den Schulwegen und besonders in den überfüllten Schulbussen wird weggeschwiegen. Eine Verkleinerung der Lerngruppen und ein Übergang zu Kombination von Präsenz- und Onlineunterricht, die die dargestellte Problematik verringern würden, sind auch „nicht sinnvoll“.
Natürlich ist all das nicht nur ein Kieler Problem, sondern auch die Schulträger nehmen die Situation an den Schulen nicht ernst oder scheuen hohe Ausgaben. Da werden in Norderstedt dann einmalig z.B. 50 Einmal-Schutzmasken! an eine Schule mit 75 Lehrer:innen geschickt. Denkt da eigentlich jemand nach? Oder es wird in Kaltenkirchen statt Luftreinigern die Anschaffung von CO2-Messgeräten empfohlen, die seien billiger! Vielleicht sollte man diesen Entscheidern einmal erläutern, dass CO2 und Covid-19 zwar beide mit C und O beginnen, aber das bedeutet nicht, dass Covid-19 und CO2 dasselbe sind. Zwischen einer messbaren CO2 Konzentration und einer hohen Virenkonzentration in der Raumluft besteht nun mal ein eklatanter Unterschied.
In den Landesverwaltungen in Kiel und in vielen Rathäusern des Landes werden die dort Beschäftigten z.B. durch eine drastische Einschränkung des Publikumsverkehrs geschützt, zu Recht! Überall, wo es möglich ist, gehen die Beschäftigten ins Homeoffice. Aber warum gelten sinnvolle Schutzmaßnahmen gerade für die größte Gruppe der Landesbeschäftigten, die Lehrkräfte an den Schulen, eigentlich nicht? Gibt es in der Pandemie Landesbedienstete erster und zweiter (oder dritter) Klasse? Auch die Nichtanerkennung ärztlicher Atteste von Lehrkräften mit teilweise schwersten Vorerkrankungen wurde noch im Frühsommer vom Bildungsminsterium pauschal mit dem Argument eines geringen Infektionsgeschehens in Schleswig-Holstein begründet. Eine erneute Überprüfung ist in Kiel kein Thema, obwohl sich die Situation grundlegend verändert hat.
All das ist keine „aufgeregte Diskussion“! Nein, es gibt genug Gründe, dass Frau Prien sofort das Pandemiekonzept für den Schulbereich des Landes Schleswig-Holstein nicht nur überdenken muss, sondern die Landesregierung muss jetzt handeln. Unsere Gewerkschaft hat vor einiger Zeit mit der Parole „Gute Arbeit kostet Geld“ demonstriert, wir müssen jetzt ergänzen „Gute Schule und gesunde Schüler:innen und Lehrkräfte kosten auch Geld und sie sind es wert!“.
Nachtrag: In einem großen Staat auf der anderen Seite des Atlantiks ist gerade ein Präsident wegen seines Versagens in der Coronakrise abgewählt worden. Er hatte die Gefahren der Pandemie bewusst heruntergespielt, sein Volk getäuscht und sinnvolle Schutzmaßnahmen in Frage gestellt. Er hat in dieser Frage außer durch Presseerklärungen, Drohgebärden und Twittermeldungen durch Untätigkeit geglänzt.
Cm: GerdCL.
GEW KV Segeberg